Maja Göpel: Unsere Welt neu denken

Buchbesprechung von Wolfgang Thoennissen

Maja Göpel ist eine renommierte Ökonomin, die es schafft, Ökologie, Ökonomie und Gesellschaftspolitik miteinander zu verbinden. Ihr 2020 erschienenes Buch kann durchaus als Basisprogramm für grünes Denken angesehen werden. Göpel verbindet grün-ökologische Ideen mit sozialen Elementen, wenn sie z.B. die immer weiter auseinander klaffende Schere
zwischen Arm und Reich oder die rücksichtslose Senkung der Produktionskosten zulasten der unteren Einkommen und der Umwelt anprangert. Wenn wir die weltweiten Krisen in Umwelt und Gesellschaft meistern wollen, „müssen wir uns die Regeln bewusst machen, nach denen
wir unser Wirtschaftssystem aufgebaut haben. Erst wenn wir sie erkennen, können wir sie auch verändern – und unsere Freiheit zurückgewinnen.“ (S.22)

Easterling zeigt in seinem Werk „Scientists for Future“, dass mehr Wohlstand nicht automatisch zu mehr Lebensqualität führt. Entsprechend fordert E.F.Schumacher in seinem Werk „Small is Beautiful“ die Rückkehr zum menschlichen Maß. Nicht Egoismus, sondern kooperative Lebendigkeit soll gefördert werden (S.62).

Im Buddhismus gilt „Arbeit als etwas, dass die Menschen darin unterstützt, ihre Fähigkeiten zu entwickeln. Sie verbindet sie miteinander und verhindert, dass sie sich in Selbstbezogenheit verlieren…Arbeit so zu organisieren, dass sie um jeden Preis möglichst viele Güter ausstößt und das möglichst schnell, wäre im buddhistischen Weltbild ein Vergehen, weil es Masse wichtiger nimmt als Menschen, Profite und Produkte wichtiger als
Erfahrung und Beziehungen.“ (S.70)

Die Hauptursache für den Klimawandel ist das Wirtschaftswachstum. Es führt zu extremer Rohstoff-Entnahme, Entwaldung, erstickendem Plastikmüll und dem Verlust der Bio-Diversität (S.76). Die Messung des wirtschaftlichen Erfolgs über das Brutto-Inlandsprodukt (BIP) ist unsinnig, weil es z.B. ein Tankerunglück als Wirtschaftswachstum erfasst (Aufräumarbeiten, Öl nachkaufen…etc.), nicht aber den Umweltschaden abzieht. Robert Kennedy hat gesagt,: das BIP misst alles außer dem, was das Leben lebenswert macht (S.80).

Wachstum ist reine Geldvermehrung und keine Wertschöpfung. Letztlich führt es zur Zerstörung des Planeten. Ökologische Schadschöpfung müsste sich in den Produktpreisen niederschlagen, die für viele Produkte höher wären, würden sie die wahren Kosten anzeigen, die bei ihrer Herstellung, dem Transport und der Entsorgung anfallen.“ (S.129)

Der entscheidende Faktor des Wirtschaftswachstums ist der Konsum – und das sind wir. Fragen wir uns doch mal, wie oft wir im Jahr fliegen, wieviele km wir Auto fahren, wieviele Klamotten, Fernseher, Möbel…etc. wir zu Hause haben, wieviele qm wir bewohnen. Ist das alles lebensnotwendig? Wo wurden die Dinge, die wir benutzen, hergestellt, vielleicht in entfernten Ländern mit vielen Transport-km und unsozialen Arbeitsverhältnissen ? Ist uns bewusst, dass unser maßloser Kleidungskonsum eine gewaltige Verschwendung von Wasser und Umwelt sowie Unmengen von Müll bei der Herstellung bewirkt ? „Die Rolle und Art von Konsum in unseren Gesellschaften zu ändern ist daher ein wichtiger Schlüssel zur Nachhaltigkeit (S.135).

Welchen ökologischen Fußabdruck hinterlassen wir ? Der „rechnet in Hektar um, was ein Mensch an Natur verkonsumiert und vergleicht es mit der Fläche, welche die Natur zur Verfügung hat, um diesen Konsum wieder auszugleichen, damit nachwachsen kann, was geerntet wurde“ (S.25). Das führt zur Berechnung des „overshoot day“, also des Tages im Jahr, an dem wir verbraucht haben, was zur Regenerierung der Natur das ganze Jahr reichen muss, im Idealfall also bis mindestens 31.12.. Das war bis Mitte der siebziger Jahre auch so. Seitdem wandert er immer weiter zurück, weltweit lag er 2019 am 29.Juli. Exportweltmeister Deutschland brauchte noch mehr: auf Grund der weltweiten Importe und des hohen Konsumniveaus lag er 2019 am 3.Mai, nach Ablauf von 34 % des Jahres. Würde das weltweit gelten, bräuchte man noch zwei weitere Planeten, um das auszugleichen. (S.28)

Vieles ist seit Ende der siebziger Jahre bekannt. 50 % der aktuellen CO2-Menge wurde in den letzten 30 Jahren in die Umwelt gebracht (S.34/5). Das Verhältnis Planet zu Mensch hat sich umgekehrt: gab es ursprünglich viel Planet für wenige Menschen, so gibt es jetzt zu viele Menschen für einen Planeten (S.36).

Wir müssen davon wegkommen, den Wald als Holzlager zu sehen, den Boden als Pflanzen-Befestigung, die Insekten als Schädlinge und die Hühner als Eier- und Fleisch-Reservoir. Wir dürfen auch die regenerativen Zyklen der Natur nicht zerstören. Der 1987 erschienene sog. Brundtland-Report (UN-Kommission für nachhaltiges Wirtschaften) definiert: „Dauerhafte
(nachhaltige) Entwicklung ist Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können“ (S.46).

Kontraproduktiv dazu steht die Verleihung des Wirtschafts-Nobelpreises an Robert Solow 1987 für seine Theorie der Substituierbarkeit der Natur. Die besagt, dass man einzelne Elemente der Natur künstlich ersetzen und damit weiteres Wachstum erzeugen kann. Aus grün wird grau, man braucht die Natur also nicht. Wie er die unglaubliche Leistung, die die Natur bisher erbrachte und weiterhin erbringt, ersetzen will, bleibt unklar. Allein die jährliche Leistung der Insekten wird mit einem Marktwert von 150 Mrd. $ geschätzt, die Leistung der Natur insgesamt bis 2007 auf 135 Billionen Dollar (S.49/50).

Es gilt der Satz von Stephan Lessenich: „wir leben nicht über unsere Verhältnisse, wir leben über die Verhältnisse der anderen“ (S. 123).

Rohr, den 28.Juni 2020